Ein Hof und elf Geschwister
In seinem Buch "Ein Hof und elf Geschwister" macht der Historiker Ewald Frie seine eigene Familie zum Thema. Aufgewachsen als eines von elf Kindern einer Bauernfamilie im Münsterland, erzählt er von ihrem Abschied vom bäuerlichen Leben und dem sozialen Wandel, den sie durchlebt haben. Frie nutzt dazu Interviews mit seinen Geschwistern und hinterlassene Quellen.
Das Buch bietet einen faszinierenden Einblick in den stillen Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland. Frie referiert nüchtern den sozialen Wandel, der vom Pferd zum Traktor und zur höheren Bildung führte. Er beschreibt die Siedlungsstruktur und die Trennung zwischen Hof und Dorf, die Besonderheiten des Landlebens und die Veränderungen im Laufe der Zeit. Er zeigt auf, wie die moderne Lebensweise die jüngere Generation zu neuen Möglichkeiten und einer anderen Vorstellung von Autonomie und Freiheit führte.
Frie findet dabei die richtige Mischung zwischen sachlicher Distanz und persönlicher Betroffenheit. Er weiss um seine Rolle als "betroffener Beobachter" und bemüht sich gleichwohl "um Detailtreue und Objektivität". Dabei stellt er auch Fragen an sich selbst, inwiefern er selbst als Aufsteiger gelten kann.
"Ewald Frie: Ein Hof und elf Geschwister" ist ein beeindruckendes Buch. Es ist ein inspirierendes Dokument der Selbstverständigung und dient zugleich dem besseren Verständnis einer Zeit des sozialen Umbruchs. Frie gelingt hier nichts weniger als der Spagat zwischen Analyse der eigenen Familie und allgemeingültiger Geschichtsschreibung.
M. H.