No to racism: Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur
Angst vor der eigenen De-Privilegierung überwinden
Mit dem Buch «No to Racism» liegt nun ein Beitrag zur Entwicklung einer rassismuskritischen Schulhauskultur vor.
Gerade an den Schulen gibt es nach Einschätzung der Autor*innen des Buchs «No to Racism» – Rahel El-Maawi, Mani Owzar und Tilo Baur – bisher kaum Ressourcen für eine rassismuskritische Auseinandersetzung. Folgt man der Einschätzung von Tupoka Ogette, Beraterin für Rassismuskritik und Antirassismus, in ihrem Vorwort, dass «die meisten Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz [...] keine Rassist*innen [sind], aber alle Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz [...] rassistisch sozialisiert [...] sind» (10), ist eine fehlende Auseinandersetzung mit Rassismus im Bildungssystem fatal. Das Ziel des Buchs ist es, dies zum Besseren zu ändern: «Wir sind überzeugt, dass eine gemeinsame Haltung notwendig ist, um effektiv Nein sagen zu können. Dieses Buch bietet die Grundlagen, um sich diese Haltung zu erarbeiten, damit wir alle gemeinsam unsere Verantwortung zu einem No to racism wahrnehmen können.» (14)
Der Aufbau des Buchs basiert auf der Erfahrung der Autor*innen als Workshopleitende für Schulakteur*innen. Eingangs werden sorgfältig wichtige Begriffe erklärt, Konzepte und Dimensionen von Rassismus erläutert (Kapitel 1-3), um dann die kolonialen Verstrickungen der Schweiz wie auch die Formen und Ebenen des aktuellen Rassismus hierzulande zu skizzieren (Kapitel 4-6). In den Kapiteln 7 und 8 wird dargelegt, wie Kinder Rassismus erlernen und wie sie unter diesem leiden. Ab Kapitel 7 ist das Buch stärker auf konkrete Handlungsmöglichkeiten im Schulfeld ausgerichtet. So werden acht Empfehlungen formuliert, wie mit Kindern über Rassismus gesprochen werden soll, Tipps zur Entwicklung eines rassismussensiblen Klassenzimmers formuliert, Wege aufgezeigt, wie die Schulakteur*innen rassistische Stereotype im Team sowie Ausschlussmechanismen an der Schule überwinden können. Im abschliessenden Kapitel 11 wird umrissen, wie eine diskriminierungskritische Schulentwicklung aussehen sollte.
Rassismus und die «Weissen»
Bei «Rassismus» handelt es sich um «eine Ausschliessungspraxis, die Menschen hierarchisiert. So werden gewisse Menschen bevorzugt und andere abgewertet. Der wesentliche Grund für eine solche Rangordnung ist die ungleiche Verteilung von ökonomischen, materiellen, kulturellen, intellektuellen und sozialen Ressourcen, die mit rassistischen Argumenten begründet, gerechtfertigt, kontrolliert und auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens durchgesetzt wird.» (25) Und: «Als rassistische Diskriminierung wird jede Praxis bezeichnet, die Menschen aufgrund äusserlicher Merkmale Rechte vorenthält, das heisst, sie ungerecht behandelt, demütigt, beleidigt, bedroht oder an Leib und Leben gefährdet.» (30) Je nachdem, welche Bevölkerungsgruppe diskriminiert wird, unterscheidet man zwischen Anti-Asiatischem, Anti-Slawischem, Anti-Muslimischem oder Anti-Schwarzem Rassismus. Auch Antisemitismus oder Antiziganismus sind Formen von Rassismus, die Liste lässt sich um jede betroffene Gruppe erweitern.
«Weiss» wird dagegen im Rassismusdiskurs eine privilegierte Position im sozialen Raum genannt, die sich dadurch auszeichnet, dass die Menschen an dieser Position selbst keine (!) direkte Erfahrung mit Rassismus machen. Wenn Menschen an dieser Position sagen, dass sie nicht auf die Hautfarbe anderer Menschen achten und deshalb nicht über Rassismus sprechen möchten, gründet eine solche Abwehr wohl in einer «Angst vor einer De-Privilegierung» (117). Die Autor*innen formulieren fünf Gesprächsstufen, in denen die «weissen» Dialogpartner*innen schrittweise Abschied nehmen können von der Vorstellung eines «Happy Land», in dem es keinen Rassismus gibt, aber auch vom inneren Widerstand sowie von Scham- und Schuldgefühlen. Ziel ist, dass im fünften Schritt Rassismus erkannt, die eigene diskriminierende Sozialisierung bewusst wird und die «Weissen» als Verbündete Veränderungen unterstützen.
Ebenen von Rassismus
Rassismus hat viele Gesichter. Im Alltag zeigt er sich oft durch stereotype Zuschreibungen, die manchmal wie Komplimente klingen, aber oft auch «Mikroaggressionen» darstellen. Die Autor*innen nennen Beispiele wie «Du siehst aus, als könntest du richtig gut tanzen. Du hast das im Blut.», «Du kannst aber gut Schweizerdeutsch.» etc.
Auf institutioneller Ebene prägt Rassismus die Regeln, Gesetze, Praktiken oder Abläufe innerhalb von Organisationen: «Es gibt Hinweise darauf, dass rassifizierte Kinder in Entscheidungen zu schulischer Förderung öfter fehleingestuft werden als weisse Kinder. Ein Grund dafür könnte sein, dass Kinder aufgrund rassistischer Vorurteile stigmatisiert oder aufgrund von falschen Rückschlüssen weniger genau abgeklärt werden.» (67)
Auch struktureller Rassismus findet sich an den Schulen, etwa bei der Zusammensetzung der Mitarbeitenden: «So sind Mitarbeitende in Kinderhorten oder der Raumpflege viel öfter rassismusbetroffene Menschen als im Lehrkörper oder in Schulleitungen. Je höher die Bildungsstufe, desto weisser die Ausgebildeten.» (69)
Rassismuskritische Schulkultur entwickeln
Was es gegen Rassismus an den Schulen zu tun gilt, schildern die Autor*innen klar und deutlich. Zum Abschluss des Buchs werden die im Buch aufgezeigten konkreten Handlungsmöglichkeiten nochmals in einer Checkliste zusammengefasst, was es auf dem Weg zu einer rassismussensiblen Schule zu beachten gilt. Formuliert sind die Anregungen als Fragen, die zu Reflexion einladen hinsichtlich Leitbild und Regeln im Umgang mit Rassismus, Schulkultur, Anlauf-/Ombudsstelle, Thematisierung mit Schüler*innen, Eltern und Team, Fortbildungen, Schulbibliothek und Lehrmittel, Personalentwicklung, Beurteilung und Schulselektion, Umfeld und Empowerment-Räumen.
Konzeptionell überzeugt «No to Racism» – diesem Buch gelingt sowohl eine theoretische Fundierung wie auch eine praktische Handlungsanleitung für rassismuskritisches Handeln an den Schulen. Tupoka Ogette ist zuzustimmen in ihrer Einschätzung: «Ein Werk, das Einzug in jede Schule, jede Lehrer*innenfort- und -ausbildung finden sollte.»
- Von Johannes Gruber
Rahel El-Maawi, Mani Owzar, Tilo Baur. No to Racism – Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur. Bern: Hep-Verlag, 2022. 152 Seiten