Survival of the Richest

Ein Buch über eine Denkweise, die uns alle bedroht.

Das neueste Werk des US-amerikanischen Autors und Medienwissenschaftlers Douglas Rushkoff beginnt mit einer Anekdote. Als er von Investmentbankern zu einem Vortrag über die «Zukunft von Technik und Technologien» eingeladen war, entpuppt sich der Anlass vor Ort als eine Fragerunde in einem Luxusresort mit fünf Superreichen. Schnell kristallisiert sich deren Hauptinteresse heraus: «The Event». Überzeugt davon, dass der Zusammenbruch unserer Welt durch die ökologische Katastrophe, soziale Unruhen, nukleare Katastrophen, Viren oder Computerhacks nicht aufzuhalten sei, verlangen sie von Rushkoff Tipps für alle Fälle:

«New Zealand or Alaska? Which region will be less impacted by the coming clima crisis? [...] Which was the greater threat: climate change or biological warfare? How long should one plan to be able to survive with no outside help? Should a shelter have its own air supply? What is the likelihood of groundwater contamination? [...] How do I maintain authority over my security force after the event?» (3)

 

The Mindset

Rushkoff rekonstruiert die vorherrschende Denkweise im digitalen Kapitalismus, für die sinnbildlich das Silicon Valley steht, und arbeitet heraus, was diese auszeichnet: Individualisierung, Konkurrenz- und Wettbewerbsorientierung, Markt- und Technikglaube.

An die Stelle politischer Anliegen, die Welt zu verbessern oder zu retten, tritt das Ziel, cleverer als die anderen zu sein – Gewinner eben. Digitale Technologien sollen diesen helfen, einer Welt zu entkommen, die sie selbst produziert haben und weiter produzieren.

Die Durchsetzung dieses «Mindsets» sieht Rushkoff mit dem Aufkommen des Internets und der digitalen Konzerne. Doch er sieht dieses bereits in der Epoche der Aufklärung angelegt. Francis Bacon nimmt er als Gewährsmann für den Herrschafts- und Gewaltcharakter verabsolutierter empirischer Wissenschaften. Die Theorien von Intellektuellen wie dem Evolutionsbiologen Richard Dwarkins und dem Psychologen Steven Pinker seien Aktualisierungen dieser Denkweise.

 

Handeln, bevor es zu spät ist

«Nachhaltigkeit» verortet Rushkoff als ein Prinzip, das dem Kapitalismus und der Ausbeutung der Natur Grenzen setzt: «‹Sustainability› [...] implies an unacceptable plateau in growth and development. It means partnering with nature and scaling back instead of dominating and doubling down.» (134) Für Träger*innen des Mindsets wäre dies inakzeptabel. Rushkoff sieht Klaus Schwab, den Gründer des World Economic Forum in Davos, als idealtypischen Vertreter des Mindsets, der die Marktkräfte durch Deregulierung der Nationalstaaten und Globalisierung erst richtig entfesseln will, um Probleme zu lösen und Investoren reicher zu machen. Angesichts der fortschreitenden Ausbeutung der Natur und der Zerstörung der Umwelt betrachtet Rushkoff dies als magische Praktiken oder münchhausensche Versuche, sich am eigenen Schopf aus den Abhängigkeiten gegenüber den Naturgesetzen zu befreien. Dagegen formuliert er ein alternatives Wirtschaftskonzept: «The principles for building a more circular economy that isn't dependent on growth are straightforward. Keep resources and revenue recirculating through the community, and accessible to the working class. Leverage the power of mutual aid to lift up one member of the community at a time, each according to their need. Maintain independence from big employers and disinterested investors by owning businesses cooperatively with other workers.» (183)

Rushkoff weigert sich, an dieser Stelle einen Plan zur Rettung der Welt zu vorzulegen. Dass es für diese noch nicht zu spät ist und wir mit kleinen und grossen Veränderungen den Klimawandel und die Naturzerstörung beeinflussen können, so viel steht für ihn fest. Doch genau jetzt sei die Zeit, dies anzugehen, sonst könnte es tatsächlich zu spät sein.

Rezension von Johannes Gruber

Basel, 23.02.24

Douglas Rushkoff: Survival of the Richest, Scribe 2023.

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Der gewöhnliche Mensch

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Homo destructor